Wenn wir von Fair Play sprechen,
dann gibt es unterschiedliche Aufgaben, Interpretationen in Beziehung zu
verschiedenen Sportbereichen und kulturellen Unterschieden. Wenn wir Lösungen
suchen, dann sind diese nicht als Rezept zu finden, sondern müssen
problemorientiert angegangen werden; dies erlaubt verschiedene Lösungswege.
Das Gebot des Fair Play hatte
von Anfang an einen festen Platz im Sport, wir können sogar soweit
gehen und behaupten: "Ohne Fair Play gibt es keinen Sport". Das Gebot des
Fair Play ist ein herausragender und immanenter Teil der von Pierre de
Coubertin begründeten Olympischen Idee. Fair Play bezeichnet nicht
nur das Einhalten der Spielregeln, Fair Play umschreibt vielmehr eine Haltung
des Sportlers: der Respekt vor dem sportlichen Gegner und die Wahrung seiner
physischen und psychischen Unversehrtheit. Fair verhält sich derjenige
Sportler, der vom anderen her denkt.
Dies liegt zunächst
im persönlichen Engagement des einzelnen Sportlers. Die strukturellen
Bedingungen des Sportbetriebs insgesamt und in der jeweiligen Sportart
im speziellen sind jedoch entscheidende Voraussetzungen.
Diese Bedingungen werden
wesentlich von den Sportverbänden (regional, national, international)
in Bezug auf das Regelwerk, aber auch auf die Schulung der Trainer, Schiedsrichter,
Mediziner und sonstigen Funktionäre mitbestimmt.
Den Regierungen, insbesondere
den staatlichen und privaten Bildungseinrichtungen kommt eine hohe Verantwortung
für die Erziehung und Einstellung der Menschen zum Fair Play zu. Der
Erziehungsprozess wendet sich nicht nur an die aktive Sporttreibende, sondern
auch an die Sportkonsumenten, die Zuschauer. Der Erziehung zum Fair Play
kommt dabei eine erhöhte Bedeutung zu; sie muss in den Curricula verankert
werden.
Mit Sorge beobachtet das
Internationale Fair Play-Komitee Fehlentwicklungen im Bereich des Sports
auf der ganzen Welt, welche dem Gedanken des Fair Plays zuwider laufen.
Eine breite Fair Play-Diskussion muss innerhalb des Sports geführt
werden und helfen, faires Handeln im Sport einsichtig zu machen. Sie zielt
nicht darauf ab, Sportler moralisch zu verurteilen. Dabei ist präventiven
Maßnahmen Vorrang zu geben.
Grundsätzlich müssen
die Bedingungen überdacht, und wo nötig verändert werden,
unter denen heute sportliche Leistungen vollbracht werden. Fair spielen,
den Erfolg nicht um jeden Preis suchen, ist das Gebot des Fair Play. Daher
muß der Druck von den Sportlern und Trainern genommen werden, daß
nur der Sieg zählt.
Zuschauer und Massenmedien
dürfen diesen Erwartungsdruck nicht noch steigern. Beispiele unfairen
Verhaltens prägen sich Kindern und Jugendlichen ein und geben dem
Sport ein negatives Image, auch wenn nur einzelne unfair spielen. Der Wirkung
der Sozialisation kommt eine besondere Bedeutung zu.
Auf nationaler; insbesondere
aber auf internationaler Ebene ist der Leistungs- und Erfolgsdruck in zahlreichen
Sportarten so sehr gestiegen, dass einzelne Sportler, Funktionäre,
Trainer oder Mediziner mit Billigung, manchmal sogar auf Anweisung ihrer
Verbände sich Erfolge durch Maßnahmen wie Doping und das Riskieren
von Verletzungen versprechen. Schädigungen des eigenen Körpers
werden leichtfertig in Kauf genommen oder verharmlost. Ein Sieg um diesen
Preis pervertiert das Fair Play-Ideal. Der Schutz des Sportlers auf den
verschiedensten Ebenen vor Verletzungen durch übertriebene Anforderungen
in Training und Wettkampf ist ebenso wichtig.
Das Internationale Fair Play-Komitee
ist wie Millionen von Sportlern davon überzeugt, dass sportliche Leistungen,
auch Höchstleistungen, die der Sportwelt entscheidende Impulse und
Farbe geben, unter Beachtung der Fair Play-Gebots erzielt werden können.
Die Alternative würde
bedeuten, auf sportliche Höchstleistungen im Einzelfall zu verzichten.
Die Würde des Menschen
entsprechend der Charta der Vereinten Nationen steht auch im Sport an erster
Stelle.
Auch wenn die Rahmenbedingungen
fairen Verhaltens in- und außerhalb des Sports schwer veränderbar
sind; und das Eintreten für mehr Fair Play im Sport in den Augen Vieler
zu eirem schwierigen Unterfangen macht, müssen wir Mittel und Wege
suchen, das Bewusstsein hierfür zu stärken; neue Formen und Inhalte
sind darzustellen.
Es ist eine wichtige Aufgabe,
in allen Ländern Fair Play zu fördern und hierfür eine Voraussetzung
zu schaffen.
Mit Freuden begrüßt
das CIFP nationale Fair Play-Aktionen in vielen Teilen der Welt, die von
einem neuen Bewusstsein für fairen Sport bei Sportlern, besonders
aber bei Sportverantwortlichen in staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen
zeugen.
Das CIFP unterstützt
alle Verantwortlichen im Sport bei der Offensive, den Sportlern .und Betreuern,
aber auch dem sportlichen Umfeld den Gedanken des Fair Plays wieder deutlicher
zu machen, damit das "Spiel" auch wirklich "Spiel" bleibt.
Auf
der Suche nach neuer Orientierung in der sportlichen Ethik
Ein
Plädoyer für die Fair-Play-Kampagne des deutschen Sports
H.
Meyer ("Olympische Jugend" 8/1989)
Niemand
wird ernsthaft gegen Fairplay sein - sowenig wie jemand behaupten würde,
er sei gegen den Frieden. Dennoch gibt es Kritiker der Fair-Play-Kampagne
des Sports. Die kritischen Einlassungen zur Fair-Play-Konzeption mit dem
Motto "Fair geht vor" sind ernst zu nehmen. Zeigen sie doch alle ein überaus
großes Engagement in der Sache...
Geben
wir zu: Wie oft kommt klammheimliche Freunde auf, wenn der vermeintlich
Stärkere unter Umgehung der Regeln ausgetrickst wird? "Frechheit siegt
ist nun einmal der größte Gegner von "Fair geht vor". Sport
- und Spitzensport allemal - findet in einer erfolgsträchtigen Gesellschaft
nicht auf einer Insel der Glückseligen statt. Er kann daher nicht
abgehoben von anderen gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen werden.
In
den letzten Jahren mussten wir mehrfach erleben, dass Sportveranstaltungen
einhergingen mit brutaler Gewalt auf den Rängen, aber auch vor und
nach den Wettkämpfen durch randalierende, vorwiegend jugendliche Fans.
Die friedliebenden Bürger sind erschrocken und wenden sich schaudernd
ab. Sind unsere Sportarenen Ersatz-Kampfplätze gesellschaftlicher
Konfliktgruppen geworden ? Inwieweit provozieren unsere Spitzensportler
gar den Ausbruch von Aggressionen und ihr eigenes Verhalten im Wettkampf
? Eine eindeutige Antwort auf diese Fragen wird es kaum geben. "Gewalt
ist immer einfach - Alternativen zur Gewalt sind immer komplex und kompliziert"
hat NOK-Präsident Willi Daume diese menschliche Unzulänglichkeit
einmal treffend charakterisiert.
Auch
der Sport kann in Bezug auf das Thema Fair Play zum ambivalenten und widersprüchlichen
Phänomen werden. Sport allerdings, und das ist der entscheidende Unterschied
zu vielen Auseinandersetzungen in der Gesellschaft oder zwischen Völker,
kultiviert den Streit und lehrt, Herr über den Streit zu bleiben.
Im Sport gilt die Unverletzlichkeit der Person als oberstes Gebot. Ob die
Herrschaft über den Streit bereits die These rechtfertigt, der Sport
sei Ausdruck des fairen Umgangs miteinander, muss allerdings als höchst
problematisch angesehen werden. Allzu oft zeigt das Verhalten von Sportlern,
Trainern und Funktionären, dass zu viele Ausnahmen die Regel nicht
mehr bestätigen, sondern in Frage stellen.
Unfairness gegenüber Gegnern bedeutet Betrug an der
eigenen Leistung. Um Emanuel Kant im übertragenen Sinne zu zitieren:
"Was
man auf den Gegner überträgt, ist auch für die eigene Person
gültig. den Gegner auszutricksen heißt eigentlich, sich selbst
auszutricksen, und das bedeutet, sich selbst vom einzigen Sieg, der zählt,
auszuschließen."
Um
zu vermeiden, dass der Sport durch unfaires Ausschalten der sportlich Besten
in die Zweitklassigkeit führt, sind zunächst Aufklärung
gefordert und die Vorgänge bewusst zu machen. Mit der Fair-Play-Kampagne
will der Sport nicht etwa zum Moralapostel der Nation werden, sondern dazu
beitragen, den Blick für die Problematik zu schärfen. Es geht
nicht darum, belehrend zu wirken, sondern einen Anstoß für die
Erhaltung der Kultur der Gemeinwerte zu geben und nach einer neuen Orientierung
in der sportlichen Ethik zu suchen. Dem Erfolg um jeden Preis ist das Streben
nach persönlicher Bestleistung entgegenzustellen. Zur sportlichen
Persönlichkeit zu reifen, heißt zu erkennen, dass Nichtgewinnen
kein Scheitern ist....
Fair
Play beginnt damit, dass man sich der Entscheidung desjenigen beugt, der
zur Überwachung der geschriebenen und ungeschriebenen Regeln ausgewählt
ist. Auch wenn die Entscheidung als falsch erscheint, sollten sich die
Gegner des Prinzips der Großzügigkeit erinnern. Ein zweifellos
hoher Anspruch! Insbesondere für diejenigen, die von der Spontaneität
im Wettkampf leben. Nie würden jedoch geschriebene Regeln die menschliche
Haltung des Fair Play ersetzen können......
Karin
A. E. Volkwein
Sport
und Gesellschaft - Ursachen für ethische Probleme im Sport
( aus
"Olympische Jugend" 2/95)
Fairness im Sport
Betrachtet
man den Sport im Kontext der ihn umgebenen Gesellschaft und folgt der Annahme,
dass die im Sport zu findenden Werte aus der Interaktion von Sport und
Gesellschaft entstehen, ergibt sich die Frage, warum ausgerechnet im Sport
der Fairness ein so großer Stellenwert beigemessen wird; warum viele
Kritiker faires Verhalten gerade im Sport einfordern. Das alltägliche
Leben scheint die Qualitäten nicht aufzuweisen, die nötig sind,
um einen fairen Verhalten fruchtbaren Boden zu gewähren. Die Leistungsgesellschaft
mit all ihren Zwängen fordert eher zu egoistischem denn zu partnerschaftlichem
Verhalten auf. Weit entfernt ist der Gedanke, sich ähnlich den Marktverkäufern
der Fairs zu verhalten und nicht den eigenen Vorteil zu nutzen. In der
Literatur wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die moderne Leistungsgesellschaft
sich zu einem moralfreiem System entwickelt, in dem rücksichtslose
Durchsetzung von Eigeninteressen und Eigennutz im Vordergrund stehen. Gerade
in diesem Zusammenhang erscheint es als verwunderlich, daß trotzdem
immer wieder der Ruf nach dem reinen, den "ur-fairen" Sport laut wird.
Liegt eventuell in den beschriebenen gesellschaftlichen Tendenzen der eigentliche
Grund für den geforderten hohen Stellenwert der Fairness im Sport
überhaupt ? Übernimmt der Sport an dieser Stelle eine Lückenbüßerfunktion?
Schafft er einen moralischen Freiraum, der die Illusion der reinen Fairness
am Leben erhält? Wird hier künstlich eine Insel geschaffen, die
einem alten moralischen Prinzip das Überleben sichern soll?
Sport und Gesellschaft
Als
Teil einer den Sport umgebenen Gesellschaft, kann der Sport nicht losgelöst
von ihr und ihrer geschichtlichen Entwicklung betrachtet werden. In einer
hochtechnisierten, hochspezialisierten Welt entfremdet sich der Mensch
in zunehmenden Maße von sich selbst. Ein hoher Grad an Funktionalität
bestimmt den einzelnen in seiner Arbeitswelt. Auch im Sport hat die Spezialisierung
längst Einzug gehalten. Um Leistung zu optimieren, Erfolg zu gewährleisten,
wird der Sportler immer mehr zu einem teilfunktionierenden Wesen reduziert.
Dieser unbedingte Leistungswille lässt den Menschen mit seinem Spieldrang
in den Hintergrund treten. Erwartungsdruck der Öffentlichkeit und
der Sponsoren fördern den zum Teil selbstzerstörerrischen Umgang
mit dem eigenen Körper.
Genau
wie in anderen Gesellschaftsbereichen entstehen dort, wo sich Leistungsdruck
und Erfolgsabhängigkeit zin zunehmenden Maße etablieren, Mechanismen,
die ihre Durchsetzbarkeit gewährleisten. Solche Mechanismen unterliegen
ihren eigenen, nämlich den leistungssteigernden und profitorientierten
Gesetzmäßigkeiten. Der Fair-Play-Gedanke tritt in den Hintergrund.
In einer Welt, in der Machtgewinnung und Machterhaltung um jeden Preis
angestrebt werden, bleibt Fairness und sogenanntes sportliches Verhalten
auf der Strecke...
Gelebte
Unfairness finden wir praktisch in allen Lebensbereichen wieder. Gemeinschaftliches,
gemeinnütziges Handeln treten in den Hintergrund. Besonders dort,
wo Macht oder wirtschaftliche Interessen das Miteinander diktieren, verblassen
überzeugend dargebrachte Fairnessbeteuerungen sehr schnell zu Lippenbekenntnissen.
Die
Frage stellt sich, ob dort, wo das Siegen um jeden Preis (auch um der eigenen
Gesundheit) gefordert wird, Fairness als tragende Leitidee überhaupt
noch praktiziert werden kann.
Wer
schafft die Bedingungen für fairen Sport ?
G. A. Pilz ("Olympische
Jugend" 7/90)
Fairplay ein Problem der
Sportler
oder der leistungssportlichen Bedingungen ?
Der
Leistungssport erweist sich nicht als Hort der Fairness. Durch die leistungssportliche
Sozialisation Jugendlicher in den Sportvereinen wird das Prinzip des Fairplay
als leitende Handlungsmoral mehr und mehr unterlaufen. Statt Fairplay lernen
die Jugendlichen mit zunehmendem Alter und vor allem zunehmender aktiver
Fußballerfahrung, dass es im Interesse des sportlichen Erfolges wichtiger
ist, die Regeln zu verletzen. Der Fairnessbegriff ist gegenwärtig
tatsächlich zu einer Rechtfertigungskategorie geworden, "die kosmetisch
den Sport einfärbt", wie U. Müller schreibt. Gelingt es nicht,
die Bedingungen unfairen Verhaltens zu verändern, sind "fair" und
"Fairplay" in der Tat nur "positive Begriffshülsen", "Rechtfertigungskategorien",
sind Fairnessinitiativen nichts anderes als "Verwischungsstrategien und
Abschiebungs-, Alibi-, Ablenkungstaktiken - auch hinsichtlich der Verantwortlichkeit"
- und führen nach Hans Lenk zu einer Spaltung der Moral in eine "zum
Teil heimliche Erfolgsmoral und eine öffentliche Moral der Lippenbekenntnisse".
Angesichts unserer eindeutigen
empirischen Belege kommt dem bereits 1982 im Gutachten "Sport und Gewalt"
gezogenen Resümee eine noch größere Bedeutung zu: "Sicher
sind Schule und Verein nicht unabhängig von dem allgemeinen Erfolgsdenken
der Gesellschaft zu sehen. Aber sie dürfen sich deshalb einem bestimmten
moralischen Anspruch nicht entziehen; es gilt, diesen Anspruch deutlicher
zu formulieren, wobei die Differenz zwischen dem offiziellen Selbstverständnis
dieser Institutionen und ihrer tatsächlichen Wirkung deutlich gemacht
werden muss. Vor allem aber ist dafür zu sorgen, dass der Erfolgsdruck,
der auf Kindern und Jugendlichen lastet, verringert wird."
An diesem Anspruch sind letztlich
auch die Fairplay-Initiativen zu messen. Nur wenn es ihnen gelingt, über
das plakative Einklagen, Einfordern des Fairplay hinauszukommen und Bedingungen
zu schaffen, die es den Sportlern und Sportlerinnen erlauben und
ermöglichen, sich wirklich fair zu varhalten, können sie für
sich in Anspruch nehmen, einen Beitrag zur Fairnesserziehung, zu mehr Fairness
im Sport auch zu leisten. "Wir wollen fairen Sport", propagiert die Schweizerische
Fairplay-Initiative. Wer will das nicht? Wer aber schafft die Bedingungen
für fairen Sport? "Fair geht vor", behauptet die Fairplay-Initiative
des deutschen Sports. Auch vor den Erfolg? Wer mindert den unerbittlichen
Erfolgsdruck? Solange diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet
sind, drohen alle Fairplay-Initiativen ins Leere zu laufen. |